
Planetengeburt im galaktischen Hexenkessel

Im Zentrum der Milchstraße herrschen extreme Bedingungen: dichter Staub, hoher Druck, starke Strahlung. Lange galt diese sogenannte zentrale molekulare Zone (CMZ) als denkbar ungeeignet für die Entstehung von Planetensystemen. Doch eine neue Studie sieht das anders. Ein Forschungsteam unter Kölner Beteiligung entdeckte mithilfe des ALMA-Teleskops Hinweise auf über 300 mögliche protoplanetare Scheiben – Strukturen aus Gas und Staub, die als Frühform von Planeten gelten.
Protoplanetare Scheiben entstehen um junge Sterne und bilden die Grundlage für die Entwicklung von Planeten, Monden und Asteroiden. In ihnen ballen sich mikroskopisch kleine Staubpartikel zu größeren Körnern, die sich über Millionen Jahre zu Himmelskörpern formen können. Dass solche Prozesse offenbar auch in der CMZ ablaufen, ist eine wissenschaftliche Überraschung.
Bei den Beobachtungen fiel ein hoher Anteil ungewöhnlich rötlicher Lichtsignale aus über siebzig Prozent der beobachteten Sternentstehungskerne auf. Die Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass diese Färbung auf dichte, optisch dicke Strukturen zurückgeht – ein Hinweis auf scheibenartige Anordnungen aus Staub. Modelle zeigen, dass sich in diesen Kernen bereits millimetergroße Staubkörner gebildet haben könnten – ein Größenmaß, das normalerweise erst in weit entwickelten Scheiben vorkommt. Dieser Befund deutet darauf hin, dass die Materialentwicklung für Planetenbildung robuster und vielseitiger ist, als bisher vermutet.
Ermöglicht wurden die Beobachtungen durch das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA), ein Verbund aus über 60 Antennen in der chilenischen Atacama-Wüste. ALMA arbeitet wie ein riesiges Auge, das Millimeterwellen auffängt – also Strahlung, die von kaltem Gas und Staub im All ausgeht. So lassen sich selbst stark verdeckte Regionen mit hoher Auflösung untersuchen.
Zugleich zeigt die Studie das Potenzial der Dual-Band-Technik: Durch die gleichzeitige Beobachtung zweier Wellenlängen lassen sich Temperaturverteilungen, Staubeigenschaften und Strukturen besser unterscheiden – ähnlich wie ein Farbkontrastbild mehr Details zeigt als eine Schwarz-Weiß-Aufnahme.
Die Ergebnisse belegen: Auch in den unwirtlichsten Gegenden der Galaxie entstehen die Bausteine für neue Welten. Wie genau protoplanetare Scheiben in dieser Umgebung wachsen, bleibt die nächste große Frage.

