
Neumarkt, RE-Süd, August 2025 (Foto: Sebastian Bartoschek)
Was ist da los am Neumarkt in RE-Süd?
Vor knapp 200 Millionen Jahren entstanden die ersten Säugetiere. Aller Wahrscheinlichkeit nach huschten die kleinen, mausartigen Ursäuger auch schon durch das Gebiet des heutigen Recklinghausen-Süd. Der erste Homo sapiens dürfte dort dann vor etwa 40.000 Jahren durchgezogen sein. Wenn man den älteren Einwohnerinnen und Einwohnern des Stadtteils – und damit auch dem Autor dieser Zeilen – glauben mag, muss es kurz danach gewesen sein, dass am Neumarkt ein Kaufhaus entstand. Dieses trug im Laufe der Jahrzehnte wechselnde Namen, die bis heute als Generationenmarker dienen: Wer „Kaufhaus Becker“ sagt, ist in etwa so alt wie ich, wer „Kaufhalle“ sagt, noch ein wenig jünger.
Seit Anfang des Jahres steht dieses Kaufhaus nun größtenteils leer. Und das ist zweifellos unerfreulich. Aus Süder Sicht entsteht häufig der Eindruck, dass Recklinghausen nördlich der Autobahnbrücke anders wahrgenommen und behandelt wird als südlich davon: Hier die sogenannte „gute Stube“, dort das oft vernachlässigte Recklinghausen-Süd. Grund genug für Wahnsinnwissen, einmal genauer bei der Stadtverwaltung nachzufragen.
Ist absehbar – und wenn ja, zu wann – dass an dieser Stelle wieder ein Kaufhaus eröffnet?
Nein.
Die Fachbereiche Wirtschaftsförderung und Stadtplanung hatten Kontakt zu einem Interessenten für den Standort und haben diesen auch an die zuständige Haus-Verwaltung vermittelt. Offenbar ist aus den Gesprächen aber leider nichts geworden.
Wie erklärt sich die Stadtverwaltung den langen Leerstand? Werden insbesondere Umstände gesehen, die im Wesen des Stadtteils Recklinghausen-Süd liegen?
Der Standort ist stark frequentiert und es gibt im Ortsteil auch eine Nachfrage nach einem Nahversorger. Warum eine Neuvermietung nicht zeitnah gelungen ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Das Investitionsklima ist angesichts der anhaltenden Wirtschaftskrise nach wie vor zögerlich und vorsichtig: Viele Unternehmen verweisen auf Unsicherheiten – global, politisch, energiebedingt – und begrenzen ihre Investitionsausgaben. Die Unsicherheit ergibt sich auch aus Konflikten wie dem Ukraine-Krieg und dem Zollkonflikt mit den USA. Die Wiederbelebung des Standortes mit einem Nahversorger an der Bochumer Straße wäre mit erheblichen Investitionen verbunden.
Gibt es eine negative Zugwirkung des Palais Vest in der „Guten Stube“?
Ganz klar nein. Eher ist das Gegenteil der Fall. Ohne das Palais Vest hätte es die positive Entwicklung am Karstadt-Standort zum MarktQuartier nicht gegeben. Das hat der Projektentwickler mittlerweile mehrfach auch öffentlich erklärt. Wie positiv sich das Palais Vest auf die Altstadt auswirkt, lässt sich auch einem Bericht der RZ aus Oktober 2024 anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Einkaufzentrums entnehmen. Die Fachleute der IHK attestieren dem Palais Vest u.a. eine Magnetwirkung für die Altstadt. Ohne das Palais Vest hätte die Altstadt weitaus größere Probleme.
Welche Schritte hat die Stadtverwaltung bisher konkret und unter Aufwendung welcher finanziellen Mittel unternommen, um diesen Leerstand abzuwenden?
Zunächst einmal hat die Stadt der Rewe-Gruppe im Zuge des Neubaus eines Marktes auf dem ehemaligen Toom-Gelände abgerungen, den Standort Bochumer Straße länger als eigentlich geplant zu betreiben. Die Stadt kann keine finanziellen Mittel in die Entwicklung eines Standortes stecken, der ihr nicht gehört.
Die Stadtverwaltung hat aber bereits intensive Beratungen seitens der Bauordnung und der Stadtplanung mit Interessenten geführt. In den Gesprächen ging es immer um die Ansiedlung eines neuen Lebensmittelmarktes an dem Standort, verbunden mit dem Ziel, auch eine städtebauliche Aufwertung an der markanten Stelle in der Südstadt zu realisieren. Diese wäre aufgrund der Bausubstanz nur durch Abriss und Neubau zu erreichen.
Aufgrund der Lage im B-Plan Nr. 186 – Bochumer Straße – ist auch das Planungsrecht für einen großflächigen Lebensmittelmarkt schon gegeben. Denn für das Nebenzentrum RE-Süd gemäß Einzelhandelskonzept der Stadt Recklinghausen ist hier ein großflächiger Lebensmittelnahversorger sehr wichtig und zentral für die Qualität des Nebenzentrums.
Zur Stärkung des Nebenzentrums wurde u.a. auch ein Bebauungsplan für den Bereich der Dieselstraße beschlossen, um hier im Gewerbegebiet keine weiteren Lebensmittelmärkte anzusiedeln, sondern dies im Zentrum Bochumer Straße zu ermöglichen und zu stärken.
Nach derzeitigem – uns bekannten – Stand ist es aber leider noch nicht zu einem Verkauf der Fläche an einen potenziellen Investor gekommen. Das direkte schriftliche Angebot an den Eigentümer durch die Wirtschaftsförderung, diesen bei der Vermietung oder Vermarktung des Leerstandes zu unterstützen, ist bisher unbeantwortet geblieben.
Es wurde durch die Vertreter*innen der Stadt betont, dass der Stadt die nachhaltige und zeitnahe Nachfolgenutzung – insbesondere mit Blick auf den Erhalt und idealerweise die Stärkung der wohnortnahen Versorgung in diesem Quartier – sehr wichtig ist.
Ist für die Stadtverwaltung nachvollziehbar, dass Bewohnerinnen und Bewohner des Sozialraums Recklinghausen-Süd den Eindruck haben, die Stadtverwaltung werde aktiver, wenn es um Themen der Recklinghäuser Innenstadt im Vergleich zur Südstadt geht?
Nein. Richtig ist aber, dass die Altstadt das Herz der Stadt ist und als solches besonders im Fokus der Öffentlichkeit und Berichterstattung durch die Medien steht. Die Stadt hat in den vergangenen Jahren aber auch verschiedene Programme in der Südstadt initiiert und umgesetzt, um dort eine positive Entwicklung zu forcieren.
Dazu gehören Projekte wie die Umgestaltung des Neumarktes, die Sanierung des sogenannten Efeu-Hauses (Haus der Bildung), Investitionen in den Substanzerhalt des Bürgerhauses Süd, die Sanierung und Belegung des Stadthafens usw.
Bereits seit 2021 betreibt zudem der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) im Auftrag der Stadt ein aktives Stadtteilmanagement, das auf fünf Jahre angelegt ist. Gestartet ist dies mit einer Sozialraumanalyse. Aktuell ist Denis Köhler als Stadtteilmanager tätig. Der Verband macht im Ortsteil eine ganze Reihe von Angeboten, von der allgemeinen Sozialberatungen, über einen Mittagstreff und ein Café bis hin zu Stadtteilsprechstunden sowie Netzwerkarbeit, die zum Ziel hat, verschiedene Akteur*innen des Ortsteils zusammenzubringen.
Wie mehrfach auch durch die örtlichen Medien berichtet, wird aktuell unter Beteiligung der Bürgerschaft an einem Integrierten Stadtteilentwicklungskonzept (ISEK) Bochumer Straße gearbeitet, das natürlich auch die Einzelhandelssituation in Süd in den Fokus nimmt. In das Stadtteilmanagement investiert die Stadt jährlich 50.000 Euro und stellt zusätzlich einen Verfügungsfonds mit 20.000 Euro zur Verfügung.
Außerdem ist es gelungen, aus dem Förderprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen zur Belebung der Innenstädte Fördermittel zu generieren. Das Projekt ist auf mehrere Jahre angelegt. Ein beauftragtes Büro ist vor Ort am Neumarkt aktiv und kümmert sich u.a. um ein Leerstandsmanagement, temporäre Zwischennutzungen etc. Für solche Maßnahmen stehen rund 480.000 Euro zur Verfügung.
