
Replikation bei Insekten: Stabil ist anders

Wissenschaft lebt von Wiederholbarkeit. Ein Experiment, das unter ähnlichen Bedingungen erneut durchgeführt wird, sollte ähnliche Ergebnisse liefern – so sollte das sein. So läuft das in der Realität nicht immer. Dass sich viele Experimente nicht 1:1 wiederholen lassen, wird inzwischen als „Reproduzierbarkeitskrise“ diskutiert. Nun zeigt eine neue Studie: Auch Verhaltensexperimente mit Insekten sind davon betroffen.
Forschende der Universitäten Münster, Bielefeld und Jena führten drei Verhaltenstests mit je einer Insektenart durch – an allen drei Standorten parallel. Dabei ging es etwa um Futterverhalten bei Blattwespenlarven, Farbpräferenzen von Grashüpfern oder Habitatwahl bei Reismehlkäfern. Die Ergebnisse: Je nach Definition lag die Reproduzierbarkeit der Befunde zwischen 58 und 83 Prozent. Anders gesagt: bis zu 42 Prozent der Resultate konnten nicht vollständig bestätigt werden.
Die Ursachen werden nicht abschließend benannt, aber angedeutet: Unterschiede zwischen Laboren, minimale Abweichungen in der Durchführung, biologische Varianz – alles spielt eine Rolle. Und genau das macht den Befund spannend. Denn Insekten gelten eigentlich als besonders geeignet für standardisierte Studien: große Stichproben, kurze Lebenszyklen, vermeintlich wenig individuelle Abweichung. Trotzdem: Grau ist alle Empirie.
Zwar lagen die Reproduzierbarkeitswerte in dieser Studie höher als in vergleichbaren Studien mit Säugetieren, doch: Auch unter weitgehend kontrollierten Bedingungen entstehen Abweichungen. Das stellt nicht die Methode infrage – es zeigt, wie wichtig Offenheit gegenüber Unsicherheiten ist und wie wenig hilfreich ein dogmatisches Wissenschaftsverständnis ist.
Was sich hier zeigt, ist ein Grundsatzproblem, das weit über die Insektenforschung hinausreicht. Wer wissenschaftliche Befunde als endgültige Wahrheiten behandelt, missversteht den Charakter von Wissenschaft. Ihre Stärke liegt nicht in der Unfehlbarkeit, sondern in der Wiederholbarkeit unter vielen Bedingungen – und darin, funktionierende Modelle zu bauen, nicht in absolute Aussagen über die Wirklichkeit.
Die Studie betont: Gerade in der Verhaltensforschung mit Tieren lohnt sich ein bewusster Umgang mit Variabilität. Eine gezielte Einführung systematischer Variation könnte helfen, stabilere Ergebnisse zu erzielen – statt möglichst starrer Standardisierung. Oder anders gesagt: Man darf nicht erwarten, dass alles gleich bleibt – schon gar nicht, wenn es lebt.

