
Schlaflos klug? Eher emotional instabil

Die Vorstellung hält sich hartnäckig: Wer die Nacht durcharbeitet, gilt als besonders leistungsbereit – ob in Krisenstäben oder Vorstandsetagen. Ene neue Studie des Forschungszentrums Jülich zeigt: Chronischer Schlafmangel verändert das Stressnetzwerk im Gehirn – und schwächt emotionale Kontrolle.
Veröffentlicht im Fachjournal JAMA Psychiatry zeigt die Studie, dass bei Menschen mit dauerhaft verkürztem Schlaf funktionelle Netzwerke im Gehirn umorganisiert werden. Betroffen sind unter anderem der präfrontale Kortex und die Amygdala – also Regionen, die für Selbstregulation, Impulskontrolle und Emotionsverarbeitung zuständig sind. Statt flexibel zu reagieren, gerät das Gehirn schneller in Alarmbereitschaft.
Die Forschenden sprechen von einem „neurofunktionellen Fingerabdruck“ chronischer Schlafdefizite. Der Effekt betrifft nicht nur kognitive Leistung, sondern auch Stimmung, Sozialverhalten und Entscheidungsfähigkeit – besonders in stressreichen Situationen. Wer also glaubt, nachts besonders klar und souverän zu agieren, überschätzt sich womöglich selbst.
Die Ergebnisse fügen sich in ein wachsendes Bild: Schlaf ist kein verzichtbarer Luxus, sondern ein biologisches Steuerungssystem. Wer ihm langfristig ausweicht, riskiert nicht nur Leistungseinbußen, sondern emotionale Instabilität. Dass ausgerechnet in machtvollen oder sensiblen Positionen das Gegenteil geglaubt wird, ist weniger ein Beweis für Stärke – als ein Symptom moderner Selbstüberschätzung.

