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Ballermann Antifa

Die Linke kann keine Memes, die Rechte keine Musik. Obwohl weil die Erkenntnis alt ist, stimmt sie immer noch: rechte Musik ist meist – bestenfalls – in der Ästhetik der 1990er steckengeblieben, während die linke Kultur oft in Selbstbezüglichkeit und intellektueller Humorlosigkeit schwelgt. Malle Antifa 2 von Kommando Internet kommt aus der Schmollecke raus – mit KI-generierter Ballermann-Musik, die antifaschistisch ist, aber dabei genauso trötet, stampft und grölt wie der sonst nur Michel am Ballermann, oder dort, wo er meint, sein Deutschsein leben zu müssen.

Musikalische Subkulturnaturgesetze
Die Linke kann keine Memes. The Left Can’t Meme bleibt ein wahrer Satz, auch nach 30 Jahren Internet. Genauso gilt: Rechte Musik bleibt musikalisch fast immer genau dort stehen, wo sie in den 1990ern mal war. Böhse-Onkelz-Sound, Landser-Gegröhle, Kategorie-C-„Deeptalk“ – viel mehr ist da nicht. Und so feiern Rechte gerne zu Musik, die nicht von Rechten ist, und schmücken sie mit ihrem Dumpfsinn Parolen. Sie nehmen das Bürgerliche und füllen es mit Hass. Das Phänomen kennen wir lange. Aber seit Sylt sieht man es klarer. Samt Pullunder, und wie immer mit nachfolgendem Selbstmitleid.

Und die Linke? Die ist anders. Die ist divers. Auch musikalisch. Zumindest will sie das sein. Aber auch sie kann sich des Deutschseins meist kaum erwehren: Wer linke Musik kennt, kennt den Hang zur Ausgrenzung: Was ist noch wahrer Punk? Welche Band ist noch hörbar? Wer hat wann mit wem was gesagt? Der Aufwand, Musik in linken Szenen zu hören, ist oft größer als sie zu machen. Die eigene Szene ist oft das erste Publikum – und das erste Tribunal. Und für die meisten Bands war es dann auch schon.

Über Punk und das Publikum:
Besonders hervorzuheben ist das im Punk. Spätestens alle zwei Jahre ist Punk tot. Oder verkauft. Oder von den Falschen vereinnahmt. Und trotzdem ist er nie weg. Das merkt man allein daran, dass es immer noch Leute gibt, die erklären, was Punk ist – und was nicht. Punk lebt auch vom Streit um sich selbst. Und davon, dass Alt-Punker ihre Lageraufsehermentalität als Reibungsfläche bieten.

Linke Musik richtet sich oft nur an linkes Publikum. Sie spiegelt die eigene Sprache, die eigene Weltsicht, den eigenen Tonfall. Das hat eine gewisse Sicherheit – aber auch eine Reichweitenbegrenzung.

Es gab immer wieder Versuche, das aufzubrechen. Einer davon, aus meiner eigenen frühen Erwachsenenzeit: The (International) Noise Conspiracy. Eine Band rund um den ehemaligen Refused-Sänger Dennis Lyxzén, die versuchte, linken Inhalt in massentauglichere Musik zu verpacken. Der Versuch hatte Stil, aber keine Erfolg. New Morning, Changing Weather ist trotzdem ein großartiges Album. Ich habe es erst vor ein paar Monaten wiederentdeckt und bin immer noch begeistert. (Es ist nicht Shape of Punk to Come, das für mich beste Album aller Zeiten – aber das ist eine andere Geschichte. Und soll ein andermal erzählt werden.)

In den letzten Jahren stach für mich das Album Linksradikaler Schlager von Swiss & Die Andern hervor. Genau das, was der Titel verspricht: Schlager, linksradikaler. Und wie bei allem, was auf einmal zu eingängig wirkt, kann man fragen, statt einfach eine gute Zeit zu haben: Meinen die das ernst? Und erreicht das irgendwen außerhalb des eigenen Spektrums? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Was aber klar ist: Auch linke Menschen werden älter. Wer älter wird, hört manchmal anders.

Und all das, was ich hier aufgezählt habe, all diese Gedanken, gingen mir durch den Kopf, als ich auf das Album Malle Antifa 2 von Kommando Internet stieß.

Kommando Internet und KI-Musik:
Ich hörte eine einzige Zeile – „Du hasst die Demokratie, dann geh doch!“ – und war direkt begeistert. Klassischer Mallorca-Beat, trötende Synthies, stampfender Bass – und trotzdem eine gute politische Aussage, mit der man in Oblast Ostdeutschland Menschen zum Jammern bringt. Ich habe dann ein bisschen recherchiert und festgestellt: Die Band hat mittlerweile mehrere Alben veröffentlicht. Alles vollständig KI-generiert. Das ist kein Geheimnis. Im Gegenteil. Die Band geht offensiv damit um. Sie nennt sich selbst „Deutschlands führende KI-Kultschlager-Schmiede“. Und natürlich reicht das schon, damit viele die Band nicht mögen. Menschen, die zwar nicht verstehen, was die eigentlichen Risiken von KI sind, aber spüren, dass sich etwas verändert. Und zwar jetzt schon. Auch in der Kunst. Auch in der Musik. So, wie als der Buchdruck erfunden wurde, und davor schon das Rad. Verdammtes Rad, wer hat das schon gebraucht, um die Pyramiden zu bauen?

Empfehlung und Fazit:
Man kann über die Rolle von KI in der Musik sprechen. Man kann über kulturelle Aneignung von Mallorca-Schlager durch die Antifa sprechen. Vielleicht muss man das heutzutage. Wo bleibt Ossi-Kevin Identität, wenn nun sogar auf Malle Linke sind? Wo?
Man kann das alles tun. Aber das ist nicht das, worum es mir hier geht. Ich finde die Alben von Kommando Internet wirklich lustig. Und Malle Antifa 2 empfehle ich jedem, der mal wieder etwas grölen möchte. Etwas, das Spaß macht – und dabei trotzdem nicht komplett hohl ist. Sondern auf seine Weise politisch. Komisch. Klug. Und ehrlich.

Tatsächlich ist es ein Album, an dem sich alle politischen Lager reiben können. Die Linken an der Form. Die Rechten am Inhalt. Die Bürgerlichen an der Vereinfachung. Die Libertären am kollektiven Denken. Und genau das ist es, was guten Punk immer schon ausgemacht hat: Dass sich alle daran stoßen.

Und ich frage mich:
Wo stünde die Linke, wenn sie es irgendwann doch noch schaffen würde, gute Memes zu machen?

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